Stage, end of December 2024 in DeutschlandDeutschlandDeutschland

  • end of December: Camberwell Beauty (Nymphalis antiopa)
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Jump to: Peter Kremer: Schmetterlinge (1985) Ferdinand von Saar: Der Trauermantel (1888) Henry Gardiner Adams: Beautiful Butterflies: Camberwell Beauty (1854)

Peter Kremer: Schmetterlinge (1985)

Peter Kremer (1901-1989)Peter Kremer

Schmetterlinge (1985)

In unserer vergifteten Natur werden zuerst die zartesten Geschöpfte Gottes aussterben: Die Schmetterlinge und die Wiesenblumen. (M. Heidecker)

...So lautlos wie nur ein Schmetterling fliegt, wenn ihn die taumelnde Schwinge wiegt, einer wehenden Blüte gleich. (Hans Leifhelm)

Heute abend, als ich noch am Schreibtisch sitzend, für eine Weile das Fenster geöffnet hatte, den Tabakrauch entschwinden zu lassen, besuchte mich ein Schmetterling in meiner Stube. Ein Trauermantel war es, ich sah ihn plötzlich, wie er mit zusammengelegten Flügeln auf einer schneeweißen Begonienblüte der Fensterbank saß. Was hatte ihn aus dem bergenden Mantel der Dunkelheit hier hergezogen? Das Licht meiner Lampe oder das reine Weiß der Blüte, oder war ihr leiser Duft zu ihm hinausgeweht? Lange stand ich vor ihm, vor diesem geheimnisvollen Wesen, das regungslos auf dem Blumenstern weilte und seine Schwingen ab und zu gedankenstill bewegte. Ich hätte ihn greifen können; die Sehnsucht der Knabenjahre, einmal einen Trauermantelfalter zu besitzen hätte jetzt erfüllt werden können, doch ich tat es nicht. Wer weiß, welche Trauerklage in ihm zu mir ausgeschickt war, welchen Trost, welche dunkle Sehnsucht er mir bringen wollte! Wie der Bote eine Geheimnisses erschien er mir und zugleich ein Bote der Erinnerung aus längst versunkener Jugendzeit.
Als ich noch ein Bauernjunge war und in den warmen Nachsommer- und Herbsttagen auf den Eifelwiesen und Drieschen die Kühe hütete, sah ich ihn zum erstenmal, den gaukelnden Samtfetzen aus purpurner Dunkelheit mit dem Goldsaum hinter nachtblauen Rundtupfen. Ich hielt ihn damals für den schönsten Schmetterling, schöner noch als Pfauenauge, Schwalbenschwanz und Distelfalter, weil sein samtdunkles Geheimnis mich anzog, das ich nicht zu deuten wußte. Die anderen Tagfalter waren hell und farbig wie die Sonne und Mittagslicht, wie die Blüten und Beeren; wenn sie dahinflatterten, war es wie ein lautloses Lachen des Sommertages, wie vorbei huschendes Sonnenglitzern. Der Trauermantel aber wollte mir nicht recht in den grellen Tag passen; er schien mir ein Wesen der Nacht, und sein Werden versetzte mich in geheimnisvolle Schieferstollen und düstere Waldgründe. Wenn er plötzlich vor dem Knabenblick schwebte, wenn er sich niederließ auf einem silbernen Himbeerblatt, auf einer weißen Brombeerblüte, verhielt ich den Atem, um seinen Atem zu spüren unter dem schwarzen Purpur seiner Flügel. Ich hätte es nicht gewagt, ihn zu berühren oder sogar zu fangen; eine innere Angst hatte ich vor dem Geheimnis, das schon in seinem Namen ruht, eine stille Ehrfurcht vor der Trauer, die von ihm uns anrührt. Er schien mir einem jenseitigen Reich anzugehören und nur dann und wann aus Sehnsucht nach dem Sonnenlicht sich in unseren hellen Tag zu verirren.
Einmal hetzte der lange Lipp, unser Wiesen- und Schulkamerad, hinter einem Trauermantel her, ihn zu fangen, mit seiner Mütze ihn niederzuschlagen. Woher hätte er so jung schon wissen können, daß die höchste Schönheit verdirbt, wenn man sie begehrt, daß sie glanzlos wird, wenn man sie berührt, daß sie schon gestorben ist, wenn man sie besitzt. Er mußte seine Jagdgier mit dem Tode bezahlen; denn der Trauermantel gaukelte lockend vor ihm hin, und ehe er es merkte lag er im schwarzen Moorweiher, aus dem wir ihn nicht retten konnten. Aus dem Garten des Todes müssen sie auftauchen, dachte ich damals, sie müssen Boten des Jenseits sein, eine göttliche Trauer sprach zu mir aus dem schwarzen, unhörbaren Flügelschlag, und aus dem priesterlichen Schmucke der golddurchwirkten Borde. - An diesem Abend sprach ich lange mit der Trauermantelfalter in meiner Stube. Dann entließ ich ihn in die Freiheit. Ich opferte die Blüte und brach sie für ihn ab und legte sie draußen auf den Fensterstein, damit er unberührt in die Nacht entschweben konnte, in die samtblaue, wehmutsvolle Oktobernacht, in die er wie ein Zipfelchen von ihr entflog, wie ein ins Unsichtbare entwehender Hauch. Auch im Dunkel, so wußte ich, weilte er in des Schöpfers Hand.

Auszug aus Kremer, 1985 - Schmetterlinge

Mit freundlicher Genehmigung durch den Eifelverein.

Ferdinand von Saar: Der Trauermantel (1888)

Ferdinand von Saar (1833-1906)Ferdinand von Saar

Der Trauermantel (1888)

Ausgebreitet die ernste Flügelpracht,

Nahst du, schwermüthig schöner Falter,

Wie im Traum den Blumen,

Die, aufleuchtend in duftiger Farbengluth,

Des Sommers letzte Tage schmücken

Und des Gartens schwindendes Grün.

Langsam wiegst du dich

In sonniger Luft

Von Kelch zu Kelch –

Aber auf keinen

Senkst du dich nieder.

Ist es doch,

Als scheutest du die bunt'ren Genossen,

Die hier und dort sich festgesogen

Und, versunken in des Genießens Wonne,

Deiner nicht achten.

Einmal noch

Umkreisest du das weite Beet –

Dann, hohen Schwungs,

Entflatterst du in's nahe Dickicht,

Wo Fichtenzweige

Hellstämmige Birken umdüstern.

Sinnend blick' ich dir nach,

Du dunkel Geflügelter!

Ach, wie so ganz

Gleicht meine Seele dir,

Die in sanfter Schwermuth,

Tief verlangend und doch entsagungsvoll,

Ueber des Lebens

Holden Verheißungen schwebt –

Um immer wieder

Zurückzuflüchten

In einsame Schatten.

Auszug aus von Saar, 1888 - Gedichte

Henry Gardiner Adams: Beautiful Butterflies: Camberwell Beauty (1854)

Henry Gardiner Adams (1811-1881)Henry Gardiner Adams

Beautiful Butterflies: Camberwell Beauty (1854)

Es war an einem Sommerabend in jungen Jahren, als ich, kaum der Kindheit entwachsen, an einem Urlaubstag durch die Wälder streifte und meine Aufmerksamkeit auf einen Zweig gelenkt wurde, auf dem ein Trauermantel ruhte. Nie zuvor hatte ich solch Perfektion gesehen. Mein Auge hing an den tief dunklen, samtigen Flügeln, umrandet von einem Weiß wie das des Hermelins, aufgelockert durch einen inneren Rand aus metallisch blauen Flecken, wie Armbänder aus Lapislazuli.
In diesem Moment könnte ich genau die Stelle im Wald, wo sich mir dieser Anblick darbot, ausmachen und ich erinnere mich gut an die Verzückung, mit welcher ich meine Beute fing und triumphierend davon trug, um sie einer Gruppe von Schulkameraden zu zeigen. Ich kann ihre erhobenen Hände sehen, ihre überraschten Ausrufe hören, als sie des prächtigen Gefangenen gewahr wurden. Ich kann mich an ihre Gesichter und ihre Gestalt erinnern, als ob sie jetzt neben mir stünden, obwohl jeder Einzelne von ihnen schon vor langer Zeit abberufen wurde und nun mit größeren Dingen vertraut ist, als sich der Mensch in seiner irdischen Wahrnehmung träumen ließe.
Aber für mich, unbedeutend wie diese kleine Episode vielen erscheinen mag, sind die Auswirkungen auf mein Leben weder unbedeutend, nutzlos, noch ohne Einfluss gewesen: Ich verdanke ihr viele glückliche Stunden. Dieses „armselige Insekt“ entfachte in mir ein Verlangen, welches nie erloschen ist; und die Beschäftigung mit der Naturkunde ist seit dem mein Trost in Zeiten, in denen es das Gemüt nach etwas verlangt, wo es sich zurückziehen kann, fern von den Geschäften und Bestrebungen der Welt.
Es begab sich, dass von der Zeit an, die ich gerade beschrieben habe, bis vor einigen Sommern auf einem der Bergpässe der Pyrenäen, mir noch nie ein lebendiges Exemplar von Vanessa antiopa begegnet war, bis, an einem herrlichen Tag, auf einem Zweig, welcher das genaue Ebenbild desselben aus meiner Kindheit schien, ich die ausgebreiteten Flügel dieses Insekts erblickte und die Tage "längst vergangener Zeit"1 die es mir zum ersten Mal vor Augen geführt hatten, zeigten sich klar und lebhaft vor meinem geistigen Auge, als wäre es erst gestern gewesen.
Diesen Sommer bin ich erneut (und das nicht selten) mit diesem Gefährten meiner jungen Jahre zusammengetroffen. Sie mögen in der Tat Kinder der Sonne genannt werden. In den heißen und schwülen Mittagsstunden flatterten sie vorbei, wobei es fast unmöglich war, ihrem Weg zu folgen, und wenn sich auf ihrem Flug zwei oder drei auf einer Lichtung trafen, hielten sie inne und flatterten gemeinsam, ganz mit Revierkampf oder Balz beschäftigt, ich weiß nicht welches, so dass ich mehr als einmal zwei Exemplare zusammen fangen konnte und sie, nachdem ich sie bewundert hatte, dankbar in die Freiheit entließ, damit sie ihren feierlichen Sommerflug fortführen mögen.
Zu anderer Zeit (ich erinnere mich an ein besonderes Ereignis) in einem Wald auf dem Gipfel des Drachenfels2, als der Wind recht heftig blies, fand ich einige von ihnen auf der Rückseite der Bäume in einem Zustand der Benommenheit; sie machten keine Anstalten zu fliehen und wenn man sie in die Luft warf, öffneten sie ihre Flügel kaum oder flatterten schwach um ihren Fall zu mildern, oder es ihnen zu ermöglichen, auf einem Stamm oder morschen Ast Ruhe zu finden.

1'Auld lang syne': Schottische Ballade, die im Jahre 1711 von James Watson publiziert und in der Adaption von Robert Burns berühmt wurde.

2Der Drachenfels ist ein Berg des nahe bei Bonn liegenden Siebengebirges.

Auszug aus einem Zitat H. G. Adams mit unklarem Autor (genannte Quelle: The Naturalist) Adams, 1854 - Beautiful Butterflies: The British Species described and illustrated with an introductory chapter containing the History of a Butterfly through all its changes and transformations.

Übersetzung: Maren DanielsMaren Daniels; Bonn, 2010.